Die Beziehung zwischen Pferd und Mensch - Warum Führung durch den Menschen essenziell für das Pferd ist

Das Verhältnis zwischen Pferd und Mensch ist nicht immer so optimal, wie wir es uns gerne wünschen. Die Harmonie scheint irgendwie gestört zu sein. Dabei sollte eine Beziehung zwischen Pferd und Mensch doch auf gegenseitigem Respekt beruhen und aus diesem dann letztendlich Vertrauen entstehen. Und aus Respekt und Vertrauen wiederum sollte sich die Freude an der Zusammenarbeit entwickeln können. Diese synergetische Beziehung zwischen Mensch und Pferd nennt sich “Consensual Leadership”, was Führung im Einverständnis bedeutet.

 

Consensual Leadership - Führung im Einverständnis

 

Um die Führung übernehmen zu können und mit dem Pferd effektiv trainieren zu können, ist es wichtig, dass das Pferd Sie als Anführer sieht und anerkennt. Sie müssen Ihre eigenen Verhaltensmuster kennen und gegebenenfalls auch anpassen. Ist Ihr Verhalten stimmig, beständig und im Gleichklang, vermitteln Sie Sicherheit und Zuverlässigkeit. Denn nur wenn Sie sich klar auszudrücken wissen, wird Ihr Pferd Sie respektieren, Ihnen vertrauen, sich bei Ihnen sicher fühlen und bereit und kooperativ sein.

 

Bevor wir uns mit den Konzepten “Führung”, “Autorität” und “Dominanz” auseinandersetzen, sollten zuvor noch einige Punkte angesprochen werden: In unserer heutigen Gesellschaft fühlen sich die meisten von uns mit der Verwendung der Begriffe “Führung/Führer”, “Dominanz”, “Autorität”, “bedürftig” oder “Unterwerfung” unwohl, weil sie so einen negativen Nachklang haben. Dabei sind diese Worte bzw. Begriffe nur Erklärungen des Inhaltes. Sie sind eine sprachliche Darstellung von etwas. Selbstverständlich könnte man auch Synonyme verwendet, dennoch bleibt die Bedeutung dasselbe.

 

Die menschliche Natur, ganz anders als die des Pferdes

 

Es liegt in der Natur des Menschen, stets nach Geborgenheit, Liebe und Nähe zu suchen. Da Pferdebesitzer auch nur Menschen sind, suchen sie bei ihrem Pferd eben genau diese Nähe, Liebe und Geborgenheit. Viele Pferdebesitzer sind daher in den Augen ihrer Pferde “bedürftig”. Und wer bedürftig ist, ist schwach und hat keine Befähigung zur Führung. Für die meisten Menschen ist das auch gar kein Problem, da Hierarchien nicht zu ihrer Natur passen. Menschen streben eher danach, der beste Freund des Pferdes zu sein. Eine bedingungslose Freundschaft. Genau da liegt das Problem, denn dieses menschliche Verhalten verunsichert die Pferde ungemein und bringt sie in Schwierigkeiten.

 

Die Natur des Pferdes entspricht seinen Vorfahren

 

Denn Pferde sind von Natur aus Beute- und Herdentiere. Für Pferde in freier Wildbahn ist das Zusammenleben in einer Gruppe überlebenswichtig. Denn nur so lernen sie die Körpersprache und das artgerechte Verhalten kennen. Innerhalb der Herde gibt es eine bestimmte Hierarchie, in der jedes Pferd seinen Platz hat. Das gemeinschaftliche Zusammenleben beschützt die Herde. Bei Gefahr ist die Flucht zusammen nur erfolgreich, wenn die Pferde nicht wild auseinander stäuben. Daher ist es wichtig, einen Führer zu haben, der die Richtung aufzeigt und die Führung übernimmt. Bei frei lebenden Pferden ist das meist die Leitstute, die besonders intelligent, stark und umsichtig ist.

 

Nicht jedes Pferd ist dazu in der Lage, die Führung zu übernehmen

 

Es gibt also nur eine sehr geringe Anzahl an Pferden, die die Führungsrolle übernehmen könnten. Die Pferde der meisten Menschen sind dem zu Folge aus der mittleren bis hintersten Rangordnung, die unbedingt jemanden benötigen, die sie führen und ihr Sicherheit gewährleisten. Da sie in der Welt der Menschen schon die Geborgenheit der stabilen Herde verloren haben, liegt es nun am Menschen, selbst für das Wohlbefinden seines Pferdes zu sorgen. 

 

Übernehmen Sie die Führung

 

Ein Mensch, der seinen naturbedingten Bedürfnissen (Liebe, Nähe, Geborgenheit) nachgeht, kann sein Pferd nicht führen. Wenn dem Pferd klar wird, dass der Mensch ihn nicht beschützen kann, muss sich das Pferd demnach selbst beschützen. Das wiederum kann zu sehr gefährliche Situationen führen wie kopfloses durchgehen.

 

Das heißt, dass ein Pferd eine klare Hierarchie braucht, um sich in Sicherheit zu wissen. Wenn dies der Mensch nicht deutlich vorgibt, wird dem Pferd nichts anderes übrig bleiben, als die Führung selbst zu übernehmen. Denn schließlich ist dieser Platz frei und er muss unbedingt besetzt werden. Aber da die meisten Pferde keine geborenen Leitstuten sind, werden sie sozusagen auf diese Position gezwungen. Das führt dazu, dass sie sich fremd, falsch, unsicher und vor allem völlig überfordert fühlen. Sie sind für diese schwere Aufgabe nun mal nicht geeignet. Diese Situation kann zu Stress, Angst, Frustration und Verhaltensproblemen führen.

 

Aber das eigentliche Problem hier ist, dass Pferde, die ihre Menschen als unwürdig und schwach empfinden, verlieren den Respekt vor ihm. Damit der Mensch ein zuverlässiger Partner für das Pferd werden kann, ist eine gesunde Beziehung notwendig. Dies können Sie nur gewährleisten, wenn Sie die Führung übernehmen.

 

Die Bedeutung von Führung wird leider oft falsch interpretiert

 

Jedoch in Hinsicht auf Pferde bedeutet Führung für viele Menschen oftmals Zwang, Druck, Gewalt, Unterwerfung, Wut und Ungeduld. Seinen Willen mit körperlicher Gewalt durchzusetzen, verleiht dem Reiter in den Augen des Pferdes nicht den Titel des Anführers. In diesem Moment wirken vielleicht diese Maßnahmen der Züchtigung und das Pferd wird dem Reiter gehorchen und folge leisten. Aber sollte sich das Pferd in Gefahr empfinden, wird es seinem Fluchtinstinkt folgen und ihn überrennen. Denn wenn keine emotionale Bindung zwischen Mensch und Pferd besteht, wird der Mensch auf eine der untersten Stufen degradiert.

 

Seien Sie ein guter Herdenführer und helfen Sie sich und Ihrem Pferd

 

Als ein guter Anführer können Sie Ihrem unglücklichen und verwirrten Pferd helfen, in einen ausgeglichenen Zustand zurückzukehren. Pferde reagieren auf Körpersprache und Stimmungen. Innere Stärke sowie negative Gefühle spürt das Pferd sehr gut. Gefühle wie Mitleid, Wut oder Traurigkeit sollte der Mensch auszublenden wissen, denn das kann zu großen Verwirrungen führen. Pferde wissen eine kompetente Führungspersönlichkeit sehr gut zu schätzen, vor allem beruhigt sie die Tatsache, jemanden zu haben, der Gefahren einschätzen kann und immer weiß, welches Verhalten gerade gut und angemessen ist. Eine gute Herdenführung bedeutet also nicht nur Durchsetzungsvermögen, sondern vor allem auch Schutz, Berechenbarkeit und Selbstsicherheit.

 

Eine gute Beziehung zwischen Pferd und Mensch aufzubauen bedeutet als Führungspersönlichkeit akzeptiert zu werden. Nur dann wird das Pferd Sie respektieren und sich fügen. Dazu sollten Sie auf einige Dinge achten:

 

     Körpersprache: Pferde kommunizieren und reagieren vor allem über ihren Körper. An einer unsicheren Haltung Ihrerseits merkt ein Pferd sehr schnell, dass etwas nicht stimmt und wird sofort unsicher. Versuchen Sie daher Ihrem Pferd stets entspannt, aber mit einer aufrechten Körperhaltung sowie einer festen Stimme und ruhigen Bewegungen entgegenzutreten.

     Individualdistanz: Trotz aller Freundschaft darf das Pferd seinen Respekt Ihnen gegenüber nicht verlieren bzw. ausnutzen. Ziehen Sie daher eine imaginäre Grenzlinie, um einen gesunden Abstand sicherzustellen, den auch Ihr Pferd aus Respekt einhalten sollte.

     Achten Sie darauf, dass das Pferd Ihnen folgt. Denn es ist ein Zeichen des Respekts und Vertrauens, wenn Ihr Pferd hinter Ihnen geht. Gehen Sie vor, können Sie gleichzeitig auch für die Sicherheit des Pferdes sorgen, indem Sie auf eventuelle Hindernisse achten. Ihr Pferd wird Ihnen nur dann vertrauensvoll folgen, wenn Sie sein Schutz auch gewährleisten können.

 

Wenn Sie Ihrem Pferd gegenüber entsprechend so auftreten, haben Sie schon mal den Grundstein für eine gute Beziehung gelegt. Denn Pferde tun in der Regel nichts, um ihren Menschen zu verärgern. In ihren Augen verhalten sie sich sogar immer angemessen. Wenn Sie den Weg einschreiten, ein guter Anführer zu werden, wird ganz sicher eine tiefe und feste Freundschaft und Partnerschaft zwischen Ihnen und Ihrem geliebten Pferd entstehen. Durch eine klare und konsequente Führung und Rollenverteilung entwickelt sich ein starkes, stabiles und respektvolles Vertrauensverhältnis. Und genau das macht eine einzigartige und tiefe Freundschaft mit Pferden möglich. Durch das neu gewonnene Vertrauen entsteht Bindung und eine gute Beziehung.

 

 

Die Führung durch den Menschen ist essenziell für das Pferd, damit eine synergetische Beziehung zwischen Mensch und Pferd entstehen kann. Denn nur dadurch nimmt das Pferd den Menschen als Führungspersönlichkeit wahr. 

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Kommentare: 3
  • #1

    Mimi (Samstag, 02 April 2022 21:35)

    Hallo
    Ich finde es richtig und wichtig das Das Pferd einen Respektiert. Aber wie gewinne ich als schüchterne ängstliche Reitanfängerin dieses nötige Vertrauen?

  • #2

    Admin (Donnerstag, 12 Mai 2022 10:17)

    Pferde vertrauen uns nur wenn wir ihnen auch vertrauen. Ebenso ist es auch mit dem Respekt. Wenn du schüchtern und ängstlich bist, solltest du mit einem Coach deines Vertrauens arbeiten der sich genau auf solche Umstände spezialisiert hat.

  • #3

    Beathe Schuhmann (Donnerstag, 27 April 2023 08:59)

    Hallo, ich finde diesen Text sehr gut. Er hilft mir sehr weiter. Vielen Dank. Tschau.